Karl Knöller (08.06.1868/Höfen – 24.11.1963/Mühlacker)

Eine kurze Biografie erstellt von Frank-Ulrich Seemann, Mühlacker 28.03.2019

 Der Karl-Knöller-Weg an der Enz gegenüber vom Dürrmenzer Hundesportplatz unterhalb vom alten Schützenhaus gelegen, die Karl-Knöller-Straße im Dürrmenzer Wohngebiet Halde und eine bronzene Gedenktafel im Inneren der Burgruine Löffelstelz – viel mehr erinnert im öffentlichen Raum nicht an einen Mann, der vor rund 90 Jahren in Mühlacker Geschichte geschrieben hat – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.


Im Jahr 1927 erschien sein Ortsbuch „Unser Dürrmenz-Mühlacker“. Es war bis in die 1960-er-Jahre Standartwerk unzähliger Heimatkundeunterrichtsstunden an den hiesigen Schulen. Seine Gedichtbände, teilweise in Mundart verfasst, waren regelmäßiger Bestandteil bürgerlicher Bücherregale.
Außer diesem für alle an der Stadtgeschichte Interessierten unentbehrlichen Buch hat er der Nachwelt mehrere Broschüren zur Geschichte der Waldenser, zum Mühlacker Gewerbeleben, zu Vereinsjubiläen und Hefte mit Mundartgedichten hinterlassen. Im Archiv der Stadt lagern noch unzählige, bislang nicht veröffentlichte Gedichte, die sich insbesondere auch mit der Schreckensherrschaft der Nazis und deren Auswirkungen befassen. Warum er diese Texte nicht in Buchform der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt hat, bleibt unbeantwortet.
Die Stadthistorikerin Elisabeth Brändle-Zeile hat ihm in einem der Bände zur Mühlacker Stadtgeschichte ein großes Kapitel gewidmet, das jedoch, wie sich erst in den letzten Jahren herausgestellt hat, nicht in allen Punkten richtig ist. Zu ihrer Entschuldigung sei an dieser Stelle gesagt, dass Sie es nicht besser wissen konnte, blieb doch die Geschichte dieses ungewöhnlichen Mannes bis dahin noch recht geheimnisvoll und schwer nachvollziehbar. Doch dazu später mehr.

 Der Schnook (Schnake), wie ihn nicht nur die ihm anvertrauten Schulkinder in Dürrmenz liebevoll nannten, war Lehrer, Dichter, Poet, Schriftsteller, Komponist, Chronist, Lokalredakteur, Menschenfreund, Vereinsmensch, Familienvater in einem.

Bereits in jungen Jahren kam er in die Gemeinde Dürrmenz-Mühlacker an der Enz (damals, da noch nicht mit dem Sender geschmückt, auch nicht mit Stadtrechten versehen), blieb aber immer eine geheimnisvolle Figur.

Von seinen Wurzeln wusste nicht einmal die engere Familie besonders viel. Und dies, obwohl er in der Mitte seines Lebens am 10. September 1926 bereits Ehrenbürger der Gemeinde wurde und später, an seinem 90. Geburtstag, auch mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden war. Seine Zeit vor Dürrmenz und seine Abstammung waren Tabuthemen, über die er nie oder nur höchst selten sprach. Dies ging sogar so weit, dass er wohl verschiedentlich die Namen seiner Großeltern als die seiner Eltern angegeben hat (so zumindest mündlich überliefert).
 Er muss sich wohl sehr seiner Herkunft geschämt haben, zumindest jedoch war sie ihm so unangenehm, dass er sie stets im Dunkeln ließ, was im Vor-Internet-Zeitalter auch noch wesentlich einfacher zu machen war als heute.

Bekannt und dokumentiert ist, dass er am 09. September 1901 nach mehreren kurzen Gastspielen an verschiedenen Schulen in Württemberg als Lehrer an der Real-Schule in Dürrmenz-Mühlacker seine erste ständige Lehrerstelle in Dürrmenz antrat, auf der er im Laufe der Zeit dann Schulleiter und als einer der ganz wenigen Pädagogen dieser Zeit zum Studienrat ernannt wurde. Nur zehn Lehrern wurde damals diese Beförderung durch das württembergische Königshaus zuteil.

Auch sein unermüdlicher Einsatz für die Allgemeinheit im Verschönerungsverein, im Heimatmuseum, im Arnaud-Haus, beim Roten Kreuz, im Gemeinderat, in der Kirche, bei der Restaurierung der Ruine Löffelstelz, bei der Anlage eines Weges in den Kieslingwald, der mit Lindenbäumen bepflanzt wurde (daher der Name Lindach) - alles ist durch Dokumente belegt.

 Aber was war in der Zeit vor seiner Lehrertätigkeit?

Eine Exkursion in den nördlichen Schwarzwald in die Welt der Flößer, Sägewerksbesitzer und des Höfener Holzadels hilft hier weiter.

Zur Mitte des 19. Jahrhunderts florierte im gesamten Schwarzwald für eine kleine privilegierte Schicht die Wirtschaft und man konnte von nahezu unbegrenztem Wachstum des Wohlstandes reden. Der so genannte Holzadel bestimmte das Leben und die Geschicke der Dörfer an der Enz.

Sie nannten Wälder ihr Eigen, hatten mit Wasserkraft betriebene Sägewerke im Ort und beschäftigten vorwiegend Männer für die harte Arbeit des Holzeinschlags, des Transports der Stämme zur Säge, für den Bau von Holzflößen, mit denen das Holz über Enz, Neckar und Rhein bis nach Amsterdam verschifft wurde.

Zwei oder drei Familien im Ort ließen den Rest des Dorfes für sich arbeiten. Hier profitable Gewinne, dort Hungerlöhne, so dass meist alle Glieder einer Sippe gezwungen waren, sich bei den feinen Leuten zu verdingen. So auch in Höfen im Haus der Marie Phillipina Knöller. Wo dieses genau gestanden hat, kann man nicht mehr nachvollziehen. An der Enzbrücke, schräg gegenüber vom „Ochsen“ jedoch stand dann ab 1876 das bescheidene Häuschen, welches ihrer späteren vielköpfigen Familie Behausung bot.

Der Vater und auch schon der Großvater Knöller waren Flößer und beide starben recht früh bei der Ausübung des Berufes, wie ja allgemein in dieser Zeit bei der ländlichen Bevölkerung die Lebenserwartung sehr gering war. Eine Tochter, Marie Philippina (damals 24 Jahre alt), hatte das Glück, im Haus der Besitzer der Sägerei Krauth und Co eine Stelle als Dienstmagd zu bekommen und somit zur Ernährung der ganzen Familie Knöller beitragen zu können.

 Der Zufall wollte es, dass in dieser Zeit ein junger Kaufmann, Sohn des damaligen Rastatter Festungsbaumeisters Commerell, als Buchhalter in diesem Haus seine erste Stelle antrat. Dieser Mann, Carl Commerell, war wohl nicht unattraktiv, ledig und die Winter in Höfen kalt. Ergo ist es für uns nicht so überraschend, dass im Sommer 1868  das Knäblein August Wilhelm Knöller seinen Weg in ein irdisches Dasein fand, welches ihm nicht unbedingt Garant für ein späteres Leben in Wohlstand sein konnte.

Selbstredend, dass die junge Mutter dadurch ihre Arbeit bei den feinen Leuten verlor, der Verursacher hingegen, selbst Teil der feinen Leute, durfte bleiben.

Erstaunlich genug und ungewöhnlich für diese Zeit, dass sich der ungewollte Vater zu seinem „Missgeschick“ bekannte und - hierüber gibt es noch eine Urkunde - im Pfarramt veranlasste, dass der Knabe seinen Vornamen tragen sollte, also Carl Wilhelm Knöller. Wohlgemerkt: Damals noch mit „C“ in den Kirchenbüchern niedergeschrieben.

 Aus späteren Schilderungen der Knöllerfamilie geht hervor, dass er sich sogar so sehr seinem Sohn und dessen Mutter verpflichtet fühlte, dass er fast täglich Essen aus der Betriebsküche ins gegenüber liegende Knöllerhaus bringen ließ, damit sein Sohn und die sich stetig vergrößernde Familie seiner Mutter keine Hungersnot leiden musste. Immerhin brachte die Mutter von Karl in der Folge noch 10 Kinder zur Welt.

Karl durfte später in Nagold die Lehreroberschule besuchen, die er erfolgreich beendete. Der Rest ist bekannte Dürrmenzer Geschichte.

 In den letzten Jahrzehnten wurde oft behauptet, der Knöller-Vater Commerell sei, um ihn aus der dörfliche Schusslinie zu nehmen, für einige Jahre nach Amerika geschickt worden, bis Gras über die Sache gewachsen war und er wieder in den Schwarzwald durfte. Dies lässt sich aber nicht belegen und bleibt eine Sage. Vielmehr blieb er am Ort, heiratete dort die Tochter seines Chefs und hatte mit dieser vier Kinder. Unter seiner Leitung und später auch unter der seines Sohnes wuchs die Firma durch Zukäufe und kluges Wirtschaften zum größten Sägewerksbetrieb in Süddeutschland.

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