Wo andere Schutt, verlassene Hallen oder schlichtweg nur Überbleibsel
einer vergangenen Zeit sehen, entdeckt Thomas Brotzler regelmäßig Formen
abstrakter Schönheit und Ästhetik.
Der Mühlacker Fotokünstler,
der im Hauptberuf als Psychiater tätig ist, widmet sich mit großer
Leidenschaft der fotografischen Erforschung architektonisch
einzigartiger Gebäude und verlassener Industrierelikte wie dem
Maulbronner Schenk-Areal, der Mühlacker Ziegelei oder dem – inzwischen
abgerissenen – früheren Senderstädter Jugendhaus Pro-Zwo.
Brotzler
ist nicht der einzige Fotograf, der regelmäßig dem Reiz der Einsamkeit
folgt und sich aufmacht zu verlassenen Arbeitsstätten, in denen einst
Hunderte für Lohn und Brot schufteten – aber er hat mit seinen klar
strukturierten, nie überladen wirkenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen eine
Nische gefunden, die ihn mittlerweile bis weit über die Grenzen der
Region hinaus bekannt gemacht hat.
Am Freitag hat Brotzler nun
sein neuestes Werk vorgestellt: eine Bilderreihe über das ehemalige
Ziegelwerk in Mühlacker. Der 51-Jährige, den die PZ bei seinem ersten
Streifzug durch das riesige Areal vor wenigen Wochen exklusiv begleiten
durfte, hat die Ziegelei insgesamt zwei Mal für mehrere Stunden erkundet
und dabei zahlreiche Aufnahmen gemacht. Eine Auswahl der besten
Fotografien hat Brotzler nun an Wolfgang Rieger, Vorstandsmitglied des
Historisch-Archäologischen Vereins Mühlacker, übergeben.
Rieger
und seine Mitstreiter beim HAV beschäftigen sich seit Jahren mit der
Geschichte des Ziegelwerks und kämpfen derzeit darum, zumindest einen
kleinen Teil des Werks als Andenken an die ehemals europaweit bekannte
Industriestätte zu erhalten (PZ berichtete). In den Bildern Brotzlers,
die – so ist der Plan – in einer Ausstellung der Öffentlichkeit
präsentiert werden sollen, sieht Rieger ein würdiges Andenken an die
Ziegelei, verknüpft mit dem Anspruch, nicht nur abzubilden, was
vorhanden ist, sondern aus dem Vorgefundenen Kunst zu schaffen.
Und
tatsächlich merkt man den Aufnahmen den Aufwand an, den der 1961 in
Bergisch Gladbach geborene Fotograf schon im Vorfeld eines Projekts
betreibt: „Ich recherchiere die Geschichte einer Lokalität, spreche mit
ehemaligen Angestellten und versuche, mich in die Arbeits- und
Tagesabläufe hineinzudenken.“
Der Lohn dieser Mühe: Immer wieder
finden sich Details wie eine stehengebliebene Uhr oder ein verwaister
Arbeitsplatz, die Brotzler mit ausgeklügelten Bildkompositionen würdigt.
Und so zeugen die Fotografien nicht nur von Kennerschaft, sondern auch –
und dies gelingt wahrlich nur wenigen – von echter Intimität.
Ausgeräumt werden sie bereits seit einigen Wochen, doch wann genau die ehemaligen Werkshallen der Mühlacker Ziegelei tatsächlich dem Erdboden gleichgemacht werden, steht derzeit noch in den Sternen. „Uns liegt noch kein Abbruch-Antrag vor“, verrät Armin Dauner, der Leiter des Amts für Planung und Baurecht der Stadt Mühlacker. „Wenn der Antrag vorliegt, dauert es in der Regel auch noch mindestens vier Wochen, bis die Genehmigung fertig ist“, so Dauner. Ein Abriss werde daher wohl erst in den Sommermonaten erfolgen. Die Stadt plant, auf dem Areal künftig Gewerbe und Wohnungen anzusiedeln (PZ berichtete). max
(Pforzheimer Zeitung vom 18.05.2013, Text: Maximilian Lutz, Fotos: Lutz/Brotzler)